Zum Inhalt springen

Digitale Transformation mit System

Ein Überblick über Trends, Technologien, Geschäftsmodelle, Organisationen, Prozesse, Planung und Change Management der digitalen Transformation.

Das komplette e-Book von Wolfgang Keller, Michael Kunz und Hermann Ladner finden Sie hier.

Vorwort: Digitale Konfusion

von Dr. Horst Walther

Während meines beruflichen Lebens bin ich vielen neuen Begriffen und Schlagworten begegnet, wie sie uns von cleveren Vertretern der großen Beratungsmaschinerien angetragen wurden. Die meisten
waren kurzlebig. Einige schafften es an die Spitze der Charts. Manche hielten sich dort für einige Zeit. Nur wenige überlebten dauerhaft.

Da das Ende aller Zeiten noch nicht gekommen ist, gibt es keinen Grund, warum dieser kontinuierliche Strom verbaler Erfindungen schließlich verebben sollte. So geschah vor ein paar Jahren das Unvermeidliche: Zuerst tauchte der Begriff „Digitalisierung“ auf, gefolgt von „Digitaler Transformation“.

Plötzlich und ohne Vorwarnung wurde allenthalben darüber geschrieben. In der „Fach-Literatur“ wurde die erschrockene Öffentlichkeit gedrängt, nicht zurück zu fallen, sondern den neuen Trend für sich zu nutzen und den Markt aggressiv aufzumischen. Kaum jemand aber machte sich die Mühe, zu erklären, was das denn alles bedeutet, wie es sich von den Dingen unterscheidet, die in der Vergangenheit gemacht wurden und warum es plötzlich so wichtig geworden war.

Was also war hier los? Ich machte mich schließlich zu einer Veranstaltung auf, deren Agenda versprach, mir die gewünschte Aufklärung zu bieten. Nun, ich konnte etwas Verständnis gewinnen,
aber anders als erwartet. Lassen Sie mich nur drei zufällige Beispiele nennen:

Kundenorientierung

“Vergessen Sie die Technik” verkündete einer der Sprecher auf bemüht provokante Weise. “Es geht darum, dem Kunden zu dienen”.

Dem zweiten Teil seiner Botschaft konnte ich nur beipflichten. Genau darum geht es. Aber darum ging es immer schon. Und bin ich auf dieser Welle nicht schon vor 25 Jahren geritten? Eine solche universelle Wahrheit kann wohl kaum als die neue treibende Kraft betrachtet werden. Aber stehen uns jetzt nicht tatsächlich neue Techniken zur Verfügung, die uns eine weitere Automatisierung
ermöglichen, wie sie zuvor nur schwer zu erreichen war? Auch wenn wir Spitzentechnologien wie Deep Learning, das Internet der Dinge (IoT), autonome Robotik und dergleichen außen vor lassen,
hat uns die voranschreitende Entwicklung doch auch sonst mächtige Werkzeuge an die Hand gegeben.

Zu nennen sind zum Beispiel prädiktive Analytik, operative Data-Warehouses, ubiquitäre und
preis-günstige Sensoren in Verbindung mit Big Data Techniken. Konsequent auf bereits bestehende Geschäftsmodelle angewendet, können solche Technologien bereits dramatische Effekte entfalten.
Und sie können und sollten genutzt werden, um der guten alten Kundenorientierung zu dienen.

Erlösung durch den Superman

Ein anderer Sprecher skizzierte die Eigenschaften der neu in Mode gekommenen Funktion des CDO, des Chef Digital Officers. Nachdem er alle wünschenswerten Eigenschaften dieser vielfältigen Persönlichkeit zusammengefasst hatte, hatte er irgendeinen Superhelden beschrieben, der gewiss nicht unter uns sterblichen Muggeln zu finden ist – und schon gar nicht für das Gehalt einer mittleren bis höheren Führungsposition.

Für diejenigen, die mit den Stammes-Riten großer Unternehmen nicht vertraut sind, möchte ich eine übliche Gepflogenheit erläutern: Wenn auf Unternehmensebene neue und herausfordernde Aufgaben auftauchen, die weder ignoriert noch durch einen schnellen, beherzten Kraftakt des Top-Managements erledigt werden können, sondern vielmehr mühsame und langwierige Arbeit auf mehreren Hierarchie-Ebenen erfordern, delegieren wir diese Aufgaben gerne an eine neue, eigens dafür geschaffene Position.

Dieser Sitte folgend, haben spezielle Unternehmensfunktionen wie z.B. der Qualitätsmanager (obwohl es doch heißt “Quality is everybody’s Job”), der Risk-Manager (obwohl die bewusste Risikoträgerschaft doch die wichtigste unternehmerische Aufgabe des Top Managements ist) oder schließlich der Chief Digital Officer das Licht der Welt erblickt.

Das bedeutet nicht, dass diese neue Rolle an sich nutzlos wäre. Wenn sie Teil eines ernsthaften, unternehmensweiten Veränderungsprogramms ist, kann sie als Galionsfigur der laufenden Transformation gesehen werden, die die verschiedenen Aktivitäten koordiniert und das gesamte Transformationsprogramm vorantreibt. Mit der nötigen Rückendeckung der Vorstandsebene kann sie
durchaus erfolgreich agieren. Allzu oft aber ist sie nur eine Alibiposition, das Symbol des Unwillens, ernsthafte Schritte zu unternehmen. Stattdessen positioniert sie nur die gut bezahlte Inkarnation der falschen Versprechungen als Sündenbock in eine prominente Position. Dann ist das Scheitern meistens schon programmiert.

Mehr im e-Book

Lesen Sie mehr im e-Book über das Innovators Dilemma, den fatalen Lapsus, über magische Verwandlung, Erfolgsgeschichten und Megatrends und vieles mehr.